Übermäßiger Milchkonsum wird unter anderem mit einem erhöhten Risiko für Morbus Parkinson in Verbindung gebracht. Auch Patienten mit „chronischen“ Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Psoriasis klagen oft über eine Verschlechterung ihrer Symptome durch den Konsum von Milch. Worin liegt die Erklärung?
Bei der Milch handelt es sich wahrscheinlich um eines der komplexesten Nahrungsmittel, das die Natur zu bieten hat. Die Milchbildung (Laktation) wird durch das Hormon Prolaktin eingeleitet, und Milch enthält wiederum signifikante Mengen dieses Hormons, um das Magen-Darm-Epithel, Hypotalamus-Hyopophyse und das Immunsystem der Säuglinge aufzubauen. Daneben bietet Milch als bioaktives Sekret viele weitere Hormone und essenzielle Stoffe, darunter die Aminosäure Trytophan.
Tryptophan kann zu einem Anstieg des Neurotransmitters Serotonin im Gehirn führen. Da Serotonin die Sekretion von Prolaktin im Gehirn unterstützt, kann ein Exzess an Tryptophan einen Dopaminmangel verursachen, denn Prolaktin und Dopamin antagonisieren sich gegenseitig. Viele Erkrankungen der Zivilisation sind mit einem höheren Prolaktinspiegel und einem niedrigen Dopaminspiegel korreliert, darunter z.B. Morbus Parkinson. Studien zeigen, dass die Entstehung von Morbus Parkinson mit einem erhöhten Milchkonsum assoziiert werden kann (Chen at. al, 2007).
In einigen Studien wird angenommen, dass das in der Milch enthaltene IGF-1 die 5a-Reduktase und damit – auf dem Boden einer „physiologischen“ Insulinresistenz während der Pubertät – die Entstehung von Akne vulgaris fördert. Allerdings sollte hierbei berücksichtigt werden, dass Insulin sich eigentlich positiv auf eine Akne vulgaris auswirkt (Mark McCarty, 1984). Während Insulin als anaboles Hormon in Zusammenhang mit GLUT4 die Einschleusung von Glucose in die Zelle ermöglicht und auf diese Weise die Nährstoffversorgung auf zellulärer Ebene sicherstellt, ist im Rahmen einer Insulinresistenz die Zellversorgung gestört. Faktoren, die zu einer Insulinresistenz beitragen, sind unter anderem die Hormone Cortisol und Prolaktin. 1000 Studien zeigen im Durchschnitt, dass die Glucocorticoid-Spiegel (Cortisol und Corticosteron) von Akne-Patienten (gemeinsam mit Insulin, Androgenen und Progesteronen) vor dem Hintergrund niedriger Estrogen-Spiegeln erhöht sind (Arora et. al., 2011). Allerdings wird hierbei übersehen, dass viele Substanzen, die nicht der Steroid-Struktur des Estrogens entsprechen, hormonelle Aktivitäten am Estrogen-Rezeptor auslösen können.
Die 5a-Reduktase ist aus unserer Sicht Teil eines Kompensationsprogramms des Körpers, um Testosteron in Form von Dihydrotestosteron zu sichern, um eine weitere Umwandlung in Estrogen zu verhindern bzw. um die Wirkung der Androgene zu steigern, da DHT das aktivere und viefach eigentlich wirksame Androgen ist. Die Sensitivität der Rezeptoren auf Testosteron ist bei erhöhten Glucocorticoid-Spiegeln erniedrigt, was eine Mehrproduktion und Mehr-Metabolisation von DHT in der Haut erklären kann. Estrogen indessen erhöht die Ausschüttung von Prolaktin, und Prolaktin begünstigt gemeinsam mit Cortisol eine Insulinresistenz, während Dopamin-Agonisten bei Diabates-Patienten zu einer signifikanten Senkung der HbA1C- und Nüchernglucose-Spiegel führen (Pijl et. al, 2000). Darüber hinaus stimulieren erhöhte Prolaktin-Spiegel die 5a-Reduktase. Der Körper versucht auf diese Weise, Estrogen als Sekretions-Faktor des Prolaktins zu hemmen. Allerdings werden die Rezeptoren für Androgene und für Progesteron (das als 5a-Reduktase-Hemmer Estrogen direkt antagonisiert und ein erhöhtes Aufkommen an DHT aus diesem Grund obsolet macht) durch Cortisol blockiert.
Ein Mangel an Vitamin B6 (und an effektiv wirksamem Progesteron und Thyroid) kann dazu führen, dass das Tryptophan in der Milch nicht hinreichend balanciert wird. Unter physiologischen Umständen wird das Trytophan durch das ebenfalls in der Milch enthaltene Progesteron und Thyroid ausgeglichen, allerdings begünstigen die reduzierte Rezeptorsensitität und der katabole Stoffwechsel durch die erhöhten Cortisol-Spiegel, die gleichzeitig zu einem Abbau von Mineralien aus den Organen und Geweben beitragen, ein Missverhältnis dieser Substanzen zueinander. Mehrere Indizien weisen darauf hin, dass ein kataboler Stoffwechsel im Zuge dysregulierter Cortisol-Spiegel auch zu einem Abbau von Tryptophan aus der Muskulatur führt.
Desweiteren ist ein Mangel an Vitamin B6 ist mit vielen Hautkrankheiten korreliert, während ein Exzess an Estrogenen vielfach der Auslöser dieser Hypovitaminose ist, was für sich genommen zu einem Mangel an Spurenelementen wie Zink und Vitaminen führen kann (Zink antagonisiert ebenfalls Estrogen und Prolaktin, wodurch sich die Verringerung der 5a-Reduktase-Aktivität unter Zink-Substitution erklärt). Studien zeigen, dass Dermatitis-Formen durch eine Gabe von B6 in einigen Fällen zur Remission gelangen; Vitamin B6 hilft durch seine mannigfaltigen Auswirkungen auf den Hormonstoffwechsel dabei, Trytophan zu balancieren und das Verhältnis zwischen Calcium und Phosphat zu normalisieren. Da das Verhältnis dieser beiden Mineralien unter dem Einfluss von Cortisol dysreguliert ist, kann ein Trytophan-Überschuss durch die Milch möglicherweise die negativen Effekte, die vielfach mit diesem Nahrungsmittel in Verbindung gebracht werden, in Teilen erklären.
Neben Milchprodukten zeichnet sich Muskelfleisch ebenfalls durch ein ungünstiges Ratio von Tryptophan gegenüber anderen Aminosäuren aus. Das Profil der Aminosäuren in der Ernährung lässt sich häufig verbessern, indem es durch den Verzehr von Gelantine ergänzt wird. Gelantine stellt letztlich denaturiertes tierisches Kollagen bestimmter Typen dar. Naturvölker haben häufig ein günstigeres Tryptophan-Ratio als Menschen westlicher Zivilisationen, da dort entsprechend balancierende Bestandteile des Tieres mitverzehrt werden oder aber – in vegetarischen Kulturen – ganz auf Milchprodukte und Fleisch verzichtet wird. Allerdings zeichnen sich eher vegetarisch lebende Kulturen durch die Besiedlung milderer Klimazonen mit höherer Sonneneinstrahlung aus; niedrigere “Hygienestandards” führen zudem dazu, dass proteinreiche Insekten auf pflanzlicher Nahrung – versehentlich oder vorsätzlich – ebenfalls verpeist werden.
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Arora et. al.: Role of hormones in acne vulgaris. Clin Biochem. 2011 Sep;44(13):1035-40
Chen. et. al.: Dairy products and risk of Parkson’s disease, Am J Epidemiol. 2007 May 1; 165(9): 998–1006.
Mark McCarty: High-Chronium yeast for Acne? Medical Hypotheses 14: 307-310, 1984
Pijl H et al., Bromocriptine: a novel approach to the treatment of type 2 diabetes. Diabetes Care. 2000 Aug;23(8):1154-61