Manchmal haben vermeintlich “pathologische” Veränderungen, die an Organismen beobachtet werden, einen positiven Nebeneffekt. Unter bestimmten Bedingungen können sie eine Art Schutzfunktion erfüllen. So verringern hohe Harnsäurespiegel beispielsweise das Risiko, an infektiösen oder entzündlichen Veränderungen des Nervensystems zu erkranken, wie etwa der Multiplen Sklerose. Eine prospektive Studie aus Holland legt zudem einen Schutz durch hohe Harnsäurewerte vor M. Parkinson nahe. Genetisch prädisponierte Erkrankungen, die nicht auf einer Degeneration beruhen, können aber auch selbst einen positiven Nebeneffekt aufweisen. Trifft dies auch auf die Psoriasis zu?
Mit einer Prävalenz von rund 2-3% in Deutschland, 3-4% in den USA und mehr als 10% in Kasachstan ist die Psoriasis vulgaris die häufigste chronische Hautkrankheit weltweit. Unterschiedliche Gene werden mit der Psoriasis in Verbindung gebracht. Neben der genetischen Konstellation bedarf es jedoch eines Auslösers, in der Regel Stress, einer Infektion, Hautverletzungen oder eine starken mechanischen, thermischen bzw. chemischen Beanspruchung der Haut. Einflüssen also, die dazu geneigt sind, die Hautbarrierre zu stören. Daneben werden auch verschiedene Medikamente als Auslösefaktoren in Betracht gezogen.
Während die Oberhaut (Epidermis) physiologisch einen Erneuerungszyklus von etwa 28 Tagen durchläuft, verkürzt sich dieser Verhornungsprozess bei Schuppenflechte-Patienten auf nur 3-7 Tage. Grund dafür ist ein Angriff von Immunzellen gegen körpereigene Zellen der Epidermis. Neben der extrem verkürzten Zellreifung findet auch eine vermehrte Zellbildung (Proliferation) statt. Beides führt zu starken Verklumpungen von nicht vollständig ausdifferenzierten Hautzellen. Die Herde sind häufig über umliegende Hautbezirke erhaben, die darunter befindliche Haut zeigt sich für gewöhnlich stark gerötet. Oft jucken oder schmerzen die Psoriasis-Läsionen.
In der medizinischen Literatur gibt es vermehrt Hinweise darauf, dass Psoriasis offensichtlich mit einem Risiko für das metabolische Syndrom (Karlson et. al., 2006) und somit für Diabates mellitus Typ II und kardiovaskuläre Erkrankungen korreliert (Cohen et. al.,2008). Das metabolische Syndrom wird schon für sich genommen durch eine Dominanz des Hormons Cortisol geradezu beschrieben. Cortisol führt zu Insulinresistenz und einer verminderten Immunleistung des Körpers. Zeigt sich der circadiane Rhythmus des Cortisols gestört, steigt die Gefahr für den Organismus, von pathogenen Mikroben übersiedelt zu werden – die physiologische Flora etwa auf der Zunge oder auf der Haut verändert sich und die Nährstoffversorgung verschiedener Organe wie etwa der Knochen, der Muskeln und der Haut wird extrem reduziert, was zu Osteoporose, Muskelatrophie und Hautverdünnung führen kann (grundsätzlich baut sich der Körper durch Cortisol selbst ab, um alle Energiereserven dem Gehirn zur Verfügung zu stellen). Außerdem konkurriert Cortisol mit den protektiv wirksamen Androgenen und dem Progesteron um die Zellrezeptoren und reduziert auf diese Weise die Sensitivität der Zellen auf die natürlich schützenden Hormone, während es in der Nebenniere aus Progesteron geformt wird und durch eine erhöhte Synthese auch auf diesem Weg zu einem Progesteronmangel führen kann. Sämtliche der oben genannten Erkrankungen korrelieren für sich genommen nachweislich mit einem Mangel bzw. einer peripheren Resistenz des Körpers gegenüber Androgenen und Progesteron und mit einer Estrogen-Dominanz. Eine Estrogen-Dominanz zeichnet sich allerdings nicht zwangsläufig durch erhöhte Estrogen-Spiegeln im Serum aus, da die Estrogen-Retzeptoren auch durch Substanzen aktiviert werden können, die Estrogene imitieren, ohne umbedingt der chemischen Steroid-Struktur des Hormons zu entsprechen. Cortisol führt hierbei zur Bildung von Estrogenen in der Leber, die häufig wiederum die Ausschüttung vonvon Peptiden wie Prolaktin begünstigen.
Beim Prolaktin handelt es sich um ein Peptidhormon mit rund 300 bekannten Funktionen, das vor allem am Aufbau des Immunsystems und an der Darmschleimhaut beteiligt ist und die Milchbildung in der weiblichen Brust initiiert. Prolaktin führt sowohl zur Proliferation von T- und B-Zellen, wird gleichzeitig aber auch von diesen „exprimiert“. Jede Entzündung, bei der Prolaktin nicht balanciert wird, kann daher schnell außer Kontrolle geraten. Folgerichtig weisen Psoriasis- und Diabetes-Patienten tendenziell erhöhte Prolaktin-Spiegel auf (Giasudin et. al, 1998). Prolaktin führt, ähnlich wie Cortisol, zu einer verminderten Sensitivität des Körpers gegenüber Insulin und wirkt befeuert Entzündungsprozesse, die zum Teil nicht von Cortisol supprimiert werden. Dass das Hormon Prolaktin nicht etwa als Schutz- oder Kompensationsfaktor erhöht ist, wie z.B. das Hormon Testosteron, zeigt sich durch folgenden Umstand: wurde bei Psoriasis-Patienten der Prolaktin-Spiegel durch Bromocriptin gesenkt, kam es zu einer Verbesserung (43%) bzw. sogar Remission (34%) der Symptome (Weber und Frey, 1986). (Über die vermeintliche Reduzierung von Inflammationskrankheiten in der Schwangerschaft durch Estrogen und Prolaktin, das wahrscheinlich tatsächlich Nervenscheiden remyelinisieren kann, soll in einem anderen Artikel berichtet werden.) Entscheidend ist der Aspekt, dass Prolaktin die Schuppung der Haut begünstigt, während Vitamin A als anti-östrogene Substanz den epidermalen Verhornungsprozess normalisiert (Giromolini et. al. 1993).
Erhöhte Cholesterin-Spiegel, wie sie ebenfalls typischerweise für das metabolischen Syndrom beschrieben werden, haben mehrere Gründe. Das negativ besetzte „LDL-Cholesterin“ wird zur Synthese von Progesteronen benötigt. Grundsätzlich werden die Steroidhormone in Verbindung mit Vitamin A und Trijodthyroxin (T3) aus Cholesterinen gebildet, und ein erhöhter Cholesterin-Spiegel deutet nicht zuletzt auf eine problematische Hormonsynthese hin, was wir an anderer Stelle beschreiben möchten.
Entscheidend für die Schuppenflechte ist aus unserer Sicht allerdings, dass die protektiven Hormone durch Cortisol und Prolaktin, welches Androgene und Progesterone antagonisiert, gehemmt werden. Die Suppression des Immunsystems durch Cortisol führt zudem zu einer Übersiedlung der Haut mit Mikroben.
Diese Übersiedlung wird durch Psoriasis-Läsionen aller Wahrscheinlichkeit nach gestoppt und beseitigt. So sind in der medizinischen Literatur keine relevanten Beschreibungen von „Superinfektionen“ einer Psoriasis vorhanden, deren hohe Entzündungsneigung, schnelle Abschuppung sowie in der Haut enthaltenen antibakteriellen Proteine ein unwirtliches Milieu für Mikroben schaffen. Folgerichtig wird Psoriasis meistens durch Stress getriggert (Cortisol-Exzess) bzw. durch anderweitige einschneidende Veränderungen der Hautflora wie Verletzungen oder Reizungen, welche die residente Flora stören und zu Infektionen führen, die durch die Psoriasis möglicherweise “beseitigt” werden. Eine Auslösung der Psoriasis guttata als Sonderform der Psoriasis durch bakteriellen Infektionen ist gut dokumentiert. Beachtet man, dass „Infektionen“ mit Mikroben in früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden weitaus kritischer waren als heute, kann der „positive Nebeneffekt“ der Psoriasis in ihrer Schutzfunktion vor ebendiesen „Infektionen“ liegen.
Die Psoriasis ist eine Erkrankung, die – beim Typ I – zwar häufig im Verlauf schlechter wird, allerdings auch Phasen der Symptomarmut oder Symptomlosigkeit aufweisen kann. Diese Phasen korrelieren meistens mit einem Abbau von Stress, was die Verwertbarkeit protektiver Substanzen verbessert. Entscheidend ist hierbei, dass die Erkrankung im Falle des Typ I meistens im Alter zwischen 20-30 Jahren bei Patienten mit einem Mangel an Testosteron bzw. Progesteron auftritt bzw. im Falle des Typ II bei Patienten, deren Testosteron bzw. Progesteron-Produktion im Alter nachlässt und Estrogen sowie Prolaktin damit weitgehend unbalanciert zurücklässt.
Eine „vegetarische Diät“, in der Regel mit viel Obst, wird in der Alternativmedizin häufig mit einer Milderung oder Remission der Symptome in Verbindung gebracht. Folgerichtig unterstützt eine obstreiche Diät das Hormonsystems durch die positiven Effekte der Glucose / Fructose auf den Stoffwechsel, insbesondere auf die Leberfunktion. Eine verbesserte Leberfunktion stellt mehr freies T3 zur Verfügung und erhöht somit die metabolische Rate. Die enthaltenen Salicylate wirken zudem antibakteriell und antientzündlich.
Neben einer Abwehr von Mikroben, die von außen auf die Hautflora eindringen, ist auch eine Ausschleusung von Endotoxinen aus dem Inneren des Körpers über die Haut denkbar, die bei einem Hautzyklus von rund 7 Tagen wesentlich schneller erfolgt als normal. Die meisten Hautkrankheiten korrelieren erfahrungsgemäß mit einer Dysregulation der Darmflora, die medizinisch kaum erforscht ist. Studien zeigen jedoch, dass eine Senkung von Endotoxinen im Darm beispielsweise durch rohe Karotten (200g täglich) mit einer Verbesserung der Blutlipide einhergehen. Eine Verhütung von Toxinen im Gastrointestinaltrakt führt wahrscheinlich zu einer Verbesserung der Hormonbilanz, die nicht mehr die inflammatorischen Effekte der Toxine kontrollieren müssen, sodass weniger Cholesterin zur Hormonsynthese erforderlich ist und die kompensatorische Erhöhung zurückgefahren werden kann (Robertson et. al, 1979).
Viele entzündliche Veränderungen der Haut sind mit einem Mangel an Vitaminen und Mineralien verbunden. Einerseits führt die Erkrankung zu einem Mangel, andererseits können Mangelzustände wahrscheinlich oxidativen Stress bewirken und den Ausbruch der Krankheit fördern. Häufig bleibt auch unbeachtet, dass Psoriasis-Patienten erniedrigte T3/T4-Spiegel und einen Mangel an Testosteron, Progesteron, Vitamin A/E/D aufweisen. Da die Produktion der schützenden Hormone im Laufe des Lebens nachlässt und die Bildung des Mutterhormons Pregnenolon aus Cholesterin vermindert wird, ist eine Verschlechterng der Symptome bei Nicht-Korrektur der Hormonspiegel naheliegend. Cortisol inhibitiert die erfolgreiche Produktion von Vitamin D3 (Calcitriol) in der Haut, wodurch die Produktion von Cathelicidin gedrosselt wird. Cathelicidin kann an die DNA binden, die im Rahmen einer Psoriasis aus bisher ungeklärten Gründen aus dem Zellkern ins Zellplasma austritt. Außerdem verbessert Vitamin D3 die Androgenspiegel und antagonisiert auf diese Weise Estrogen und Prolaktin.
Manchmal kann eine gute eingestellte Schilddrüse bzw. ein balancierter Hormonhaushalt die Symptome zum Abklingen bringen, da auf diese Weise die Cortisol-Dominanz ausgeglichen wird und die Bakrerienflora des Körpers sich normalisieren kann. Die katabolen Effekte des Cortisols, die zu einer Minderversorgung bzw. einem Abbau von Haut, Knochen und Muskeln (und eventuell einem Aufbau von Fett) geführt haben, lassen sich durch die Stärkung der anabolen Hormone umkehren. Neuere Studien zeigen, dass Testosteron eine starke Wirkung gegen “autoimmune” Prozesse aufweist. Die positive Wirkung des Progesterons übertrifft die Effekte des Testosterons in mancherlei Hinsicht sogar bei weitem. Ein dem Progesteron verwandter Stoff findet sich in Möhren, ein täglicher Möhrensalat (mit Apfelessig) hat oft positive Effekte auf den Hormonhaushalt.
—
Cohen AD et al., Association between psoriasis and the metabolic syndrome. A cross-sectional study. Dermatology. 2008;216(2):152-5. Epub 2008 Jan 23
Giasuddin AS et al., Prolactin: does it have a role in the pathogenesis of psoriasis? Dermatology. 1998;197(2):119-22
Girolomoni G et al. Prolactin stimulates proliferation of cultured human keratinocytes. J Invest Dermatol. 1993 Sep;101(3):275-9
Weber G, Frey H. Treatment of psoriasis arthropathica with bromocriptine. Z Hautkr. 1986 Oct 15;61(20):1456-66. German
Robertson et. al., The effects of raw carrot on serum lipids and colon function. Am J Clin Nutr 1999 70: 475S-490