Dem männlichen Hormon „Testosteron“ haftet ein negatives Image an. So kommen einige Forscher durch Studien an rezenten indiginen Völkern sogar zu der Theorie, dass niedrige Testosteronwerte in den keimreichen Umgebungen, in denen unsere Vorfahren lebten, nur von Vorteil waren. Immerhin unterdrückt Testosteron das Immunsystem und ist daher in der Auseinandersetzung mit pathogenen Mikroorganismen nur wenig förderlich, so die Überlegung.

Aus unserer Sicht ist es an der Zeit, mit den negativen Vorurteilen dem Testosteron gegenüber aufzuräumen. Häufig wird übersehen, dass die Hormone sich in komplexen Kaskaden wechselseitig regulieren. Das Testosteron ist im Mann der primäre Gegenspieler der Estrogene, die im weiblichen Organismus in erster Linie durch Progesterone balanciert werden. Die Anwesenheit von Testosteron, nicht von Östrogenen, entscheidet im ontogenetischen Verlauf darüber, ob der Nachwuchs ein männliches oder ein weibliches Geschlecht ausdifferneziert. Testosteron stimuliert sowohl die Ausbildung primärer Geschlechtsmerkmale wie der Testikel und der Prostata, als auch der sekundären Merkmale wie Knochendichte, Muskelmasse und Körperbehaarung. Testosteron ist der Grund, warum Männer eine erheblich höhere Knochendichte aufweisen als Frauen und seltener an Osteoporose erkranken.

Hierbei ist allerdings von besonderer Bedeutung, dass das Testosteron gleichzeitig als Ausgangsstoff für zwei weitere Hormone fungiert. Unter dem Einfluss von Enzymen kann das Testosteron sowohl in den weitaus aktiveren Metaboliten Dihydrotestosteron (DHT), als auch in das „östrogen“ wirkende Hormon Estradiol umgeformt werden.

Wie schon erwähnt, handelt es sich beim DHT um die „aktivere“ Variante des Testosterons. In vielen Organen ist DHT sogar das ausschließlich wirksame Androgen. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass DHT nicht mehr zu anderen Hormonen umgebildet werden kann.

Die Umwandlung von Testosteron in DHT erfolgt mithilfe von 3 Enzymen, fachsprachlich 3-oxo-5α-steroid 4-dehydrogenases. Werden diese Enzyme gehemmt, zum Beispiel durch Omega-6-Fettsäuren oder durch Zink, steigt sowohl der Testosteron-Wert, als auch der Estradiol-Wert im Blut an.

Hohe Androgenspiegel werden häufig mit pathologischen Veränderungen in Verbindung gebracht, vorwiegend der Organe wie der Leber oder dem Herz. Neben Erkrankungen der Haut bzw. der Hautanhangsgebilde wird eine erhöhte 5a-Reduktase vor allem mit karzinogenen Veränderungen an der Prostata assoziiert. Beachtet man jedoch, dass die Umwandlung von Testosteron in DHT die androgenen Hormone letztlich vor einer weiteren Umwandlung in „Estradiol“ bewahrt, kann die 5a-Reduktase auch als ein Schutzmechanismus verstanden werden*. Vor diesem Hintergrund bleibt häufig unberücksichtigt, dass das Hormon Cortisol, welches zur Bildung von Estrogenen in der Leber führt, mit Testosteron um die Steroid-Rezeptoren in den Zellen konkurriert und somit die periphere Sensitivität für Androgene reduzieren kann. Infolgedessen kann trotz normwertiger oder sogar erhöhter Androgenspiegel tatsächlich ein “Mangel” vorliegen.

So findet sich auf der Grundlage einer Metaanalyse, die mehr als 1000 Studien über Akne-Patienten auswertet, neben erhöhten Testosteron- und Progesteron-Werten auch eine Erhöhung der Serum-Glucocorticoide. Dennoch werden die Estrogenspiegel dieser Patienten als vergleichsweise niedrig angegeben.

Dieser Effekt hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass in unserer heutigen Ernährung und Umwelt viele hormonell aktive Stoffe enthalten sind, welche die Wirkung von Estrogenen im Körper imitieren und am Estrogen-Rezeptor entsprechende Aktivitäten auslösen können, ohne der chemische Steroid-Struktur zu entsprechen. Das bedeutet, dass auch bei normalen oder niedrigen Estorgen-Werten im Blut eigentlich eine periphere “Estrogen-Dominanz” vorliegen kann.

Beachtenswert ist auch der Umstand, dass Cortisol und Estrogene die Wasserspeicherung des Körpers verstärken können, was zu einem Druckabfall in den Blutbahnen führt. Da die Referenz-Werte für Hormone in der Regel in absoluten Angaben beziffert sind, können tatsächlich trotz unauffälliger Spiegel starke Abweichungen von den Normwerten vorliegen, obwohl das Blutbild klinisch unauffällig scheint.

Entscheidend ist auch, dass die im Blut zirkulierenden Geschlechtshormone überwiegend durch SHBG (Sexualhormon-bindendes-Globulin) gebunden vorliegen und lediglich ein Anteil von 1-2% “frei” zur Verfügung steht. Die Affinität des SHGB ist DHT gegenüber am höchsten, gefolgt von Testosteron, während die Affinität zur Bindung von Estradiol und Estron am geringsten ist.

Substanzen mit pro-androgener Wirkung:

Eine Auflistung einzelner Substanzen ist deshalb schwierig, weil der Testosteronwert und vor allem die Sensitvität der Rezeptoren auf Testosteron von der richtige Balancierung aller Hormone abhängt. Grundsätzlich wirken sich jedoch alle “anti-oxidativen” Substanzen günstig auf die Androgen-Spiegel aus, da diese in der Regel dazu dienen, die ungesättigten Estrogene zu balancieren. Allerdings können Supplements wegen der unphysiologischen Dosierung eine pro-oxidative Wirkung entfalten, sodass wir in erster Linie die Wirkung der Ernährung und der Lebensweise auf die Androgen-Werte erforschen.

* Einen ähnlichen Effekt gibt es beim Progesteron: Estrone werden durch die Aromatase von Androstendion gebildet, einem Progesteron-Derivat.