Weithin als Vitamin für gesunde Augen bekannt, umfasst der Begriff „Vitamin A“ eigentlich eine Stoffgruppe von beta-Jonon-Derivaten. In Form von „Retinat“ essenziell für das Sehen, bezieht sich die Wirkung von „Retinsäure“ überwiegend auf Funktionen der Haut, der Zahnmineralisation, des Knochenstoffwechsel, der Stammzellendifferenzierung und mehrerer Regulationsprozesse in der embryonalen Entwicklung. Doch worin liegt der Zusammenhang zwischen Vitamin A und Hormonen?
Steroidhormone werden aus Cholesterin geformt (Steroidogenese), das außerdem als wichtiger Bestandteil der Zellmembranen zusammen mit weiteren Proteinen Signalmoleküle in die Zelle ein- und ausschleust. Die Steroidogenese ist offensichtlich nur unter Anwesenheit von Vitamin A möglich. Folgerichtig konnten verschiedene Studien zeigen, dass ein Vitamin A-Mangel zu Problemen bei der Synthese von Steroidhormonen führt (Juneja et. al., 1966 und Legras et. al., 1979). Auch in die Synthese des „Growth Hormones“ ist Vitamin A involviert. So legen Studien den Schluss nahe, dass ein Vitamin A-Defizit zu Unregelmäßigkeiten bei der Ausschüttung des Wachstumshormons führt und die Plasmaspiegel bei zu kleinen Kindern erniedrigt sind.
In der Pubertät ist der Bedarf an Vitamin A besonders hoch: sie stellt eine Zäsur im Leben des Menschen dar, in deren Rahmen die Geschlechtsreife erlangt wird, was mit einer erhöhten Ausschüttung von Steroidhormonen und Wachstumshormonen einhergeht. Bis zur Mitte des dritten Lebensjahrzehnts verknöchern die Epiphysenfugen (Wachstumsfugen).
Auch Akne-Patienten weisen erniedrigte Vitamin A (und E)-Spiegel auf (El-Akawazi et. al., 2006), während eine Korrektur der Plasmaspiegel durch Vitamin-Gaben die Akne-Symptomatik in fast allen Fällen entweder stark verbessert oder aufhebt. Wie bereits an anderer Stelle berichtet, weisen Akne-Patienten erhöhte Androgen-, Corticosteroid- und Progesteron-Spiegel bei normalen bis erniedrigten Estrogen-Spiegeln auf. Dies führt sogar dazu, dass einige Autoren Akne als einen „Marker“ für hohe Androgenspiegel auffassen (Henderson et. al., 2012). Die Synthese der obigen Hormone ist stark von Vitamin A abhängig, und eine erhöhte Synthese kann zu einem erhöhten Bedarf an Vitamin A führen. Estrogene hingegen, deren Spiegel als „normal“ oder „niedrig“ angegeben werden, können einerseits aus Testosteron synthetisiert werden; andererseits sind Substanzen, die nicht der chemischen Steroid-Struktur des Estrogen entsprechen, dazu imstande, estrogene Wirkungen am Steroidrezeptor auszulösen. Derartige Stoffe kommen in der Nahrung und in der Umwelt vor, etwa in Verpackungen, in Kosmetika oder im Trinkwasser durch die Rückstände oraler Kontrazeptiva. Eine Estrogen-Dominanz muss daher nicht zwangsläufig mit stark erhöhten Estrogen-Plasmaspiegeln in Zusammenhang stehen. Darüber hinaus können erhöhte Cortisosteroid-Spiegel die Sensitivität der Zell-Rezeptoren für Androgene und Progesteron hemmen.
Wir halten es für plausibel, dass eine derartige „Estrogen-Dominanz“ in die Krankheitsentwicklung der Akne vulgaris involviert ist. Folgerichtig zeigen Studien an Akne-Patienten, dass die Verbesserung der Symptome durch Vitamin A und E durch orale Kontrazeptiva („Anti-Baby-Pille“) blockiert werden (Ayres et. al., 1981). Aus unserer Sicht scheinen hierfür zwei Gründe plausibel zu sein:
Estrogene weisen eine chemisch ungesättigte Struktur auf und müssen daher durch Vitamin E balanciert werden (man denke an Pflanzenöle: je ungesättigter das Öl, desto höher der natürliche Vitamin E-Gehalt); auch Vitamin A ist ungesättigt und auf eine Balancierung durch Vitamin E angewiesen. Wird der Vitamin E-Spiegel durch Estrogene oder Estrogen-ähnliche Sroffe gesenkt, stehen möglicherweise nicht mehr hinreichende Kapazitäten zur Verfügung, um Vitamin A zu stabilieren und den metabolischen Stoffwechselpfaden zuzuführen, die es in eine für den Körper aktive Form überführen.
Eine erhöhte Zufuhr von Estrogen erhöht den Bedarf an Vitamin A, denn die unter Anwesenheit von Vitamin A aus Cholesterin geformten Androgene und Progesterone antagonisieren Estrogen.
Dementsprechend konnte wiederholt gezeigt werden, dass ein erniedrigter Vitamin A-Plasmaspiegel nur dann durch Substitution verbessert werden kann, wenn ein normwertiger Vitamin E-Spiegel vorliegt. Bei gleichzeitig verringertem Vitamin E-Plasmaspiegel lässt sich der Vitamin A-Wert nicht erhöhen, und zwar unabhängig davon, wie viel Vitamin A verabreicht wird (Ayres et. al., 1979).
Dass es sich bei der Akne vulgaris keinesfalls um eine isolierte Hauterkrankung handelt, sondern um das Symptom signifikanter hormoneller Veränderungen, wird durch mehrere Beobachtungen nahegelegt. So zeigen Studien, dass Männer, die in ihrer Jugend unter Akne litten, im späteren Leben ein verringertes Risiko aufwiesen, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben; das Riskiko, Prostata-Krebs zu entwickeln, zeigt sich statistisch betrachtet jedoch erhöht (Galobardes et. al., 2005); beide Erkrankungen sind auf unterschiedliche Weise mit Androgenen korreliert. Für Frauen mit Akne stellt sich ein häufiger Zusammenhang mit Hirsituismus bzw. mit dem Polyzystischen Ovarialsyndrom, PCOS, heraus (Perkins et. al., 2012 und Gelekci et. al., 2010). Hierbei weisen rund 50% der Frauen Akne-Symptome unterschiedlicher Schweregrade auf, mit der niedrigsten Rate unter Frauen nach der Menopause. Aus unserer Sicht sind mit dem Abfall der Estrogene weniger Androgene erforderlich, um die Estrogene zu balancieren, was die post-menopausale Milderung der Akne-Symptome erklären könnte. Estrogen-Dominanz führt aus unserer Sicht zu kompensatorisch erhöhten Androgen-Spiegeln bei Frauen, die wiederum die vermehrte Behaarung (Hirsituismus) und Akne-Symptome auslösen. Üblicherweise werden die Androgene bei Frauen durch das Hormon Progesteron ausgeglichen, allerdings ist das Progesteron im Rahmen einer Estrogen-Dominanz häufig nicht effektiv genug wirksam. In der Regel werden Androgene isoliert als Auslöser der Akne bzw. der weiblichen Gesichtsbehaarung betrachtet, aus unserer Sicht sind sie aber lediglich in zweiter Instanz zum Ausgleich der Estrogen-Dominanz erhöht.
Aus unserer Sicht ist eine Hemmung estrogener Aktivitäten sowohl bei Männern als auch bei Frauen mit Akne effektiv hinsichtlich einer Milderung bzw. Remission der Hautprobleme.
Fazit:
– Ungesättigte Substanzen erniedrigen den Vitamin E-Spiegel. Eine Verringerung der Aufnahme entsprechender Substanzen, mit Ausnahme von Vitamin A, wirkt sich häufig positiv auf; insbesondere ein Exzess von Omega 6-Fettsäuren erweist sich in der Regel als problematisch, da er nicht nur den Vitamin E-Spiegel senkt, sondern auch die Hormonsynthese negativ beeinflusst. Omega 3-Fettsäuren können hilfreich sein, die Umwandlung von Omega 6-Fettsäuren in entzündliche Prostaglandine zu unterbinden. Die Rolle der Omega-Fettsäuren auf den Hormonhaushalt ist aus unserer Sicht jedoch differenzierter zu betrachten, was wir in einem nachfolgenden Artikel tun wollen.
– „Anti-Akne-Pillen“ enthalten in der Regel Gestagene, also Progresteron-Derivate; Progesteron antagonisiert Estrogen und Androgrene, was eine Verringerung der Akne-Aktivität erklären kann.
– Adäquate Vitamin A und Vitamin E-Spiegel verbessern das Hautbild bei Akne-Patienten. Vitamin A ist enthalten in Nahrungsmitteln wie Leber, Eiern, Butter.
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Referenzen:
El-Akawazi etl al.: Does the plasma level of vitamins A und E affect acne condition? Clin Exp Dermatol. 2006 May;31(3):430-4.
Ayres et. al.: Synergism of vitamins A und E with dermatologic applications. Cutis. 1979 May;23(5):600-3, 689-90.
Henderson et. al.: The association between irregular menstruations and acne with asthma and atopy phenotypes. Am J Epidemiol. 2012 Oct 15;176(8):733-7. doi: 10.1093/aje/kws161. Epub 2012 Sep 30.
Galobardes B et. al.: Acne in adolescence and cause-specific mortality: lower coronary heart disease but higher prostate cancer mortality: the Glasgow AlumniCohort Study. Am J Epidemiol. 2005 Jun 15;161(12):1094-101.